"Ich hasse dein Buch" - 10 Gebote für den Umgang mit negativen Rezensionen

Veröffentlicht am 26. Januar 2023 um 12:21

Da ist er wieder, der Tag, an dem ich mal aus Neugier durch die Rezensionen zu meinen Büchern stöberte. Und schon wünschte ich mir, ich hätte es nicht getan.

 

Ja, ich sage immer, dass Rezensionen für Leser und nicht für die Autoren sind – aber ich praktiziere nicht, was ich predige. Es sind meine eigenen Zweifel, die mich dazu bewegen, Rezensionen zu lesen. Dabei sollte ich es einfach lassen.

 

Vorab ein Disclaimer: Dieser Post dient nicht dazu, das weinerliche Opfer zu spielen und einen auf Mitleid zu machen. Ich möchte lediglich darüber aufklären, was im Umgang mit Rezensionen problematisch ist und wie man als Autor lernt, damit umzugehen.

 

Wenn du ein Autor mit über 500 Rezensionen bist, darunter 499 positiv, musst du ab hier nicht weiterlesen, weil du dann entweder denkst, ich bin ein aufmerksamkeitssüchtiger Kobold oder ich mache im Marketing irgendwas falsch. Tja. Weder noch? Oder?

 

Aus Rezensionen konnte ich in der Vergangenheit zwei Dinge lernen.

 

  1. Nicht mehr alles persönlich nehmen und konstruktive Kritik hinterfragen, auch mal nach innen blicken. Lernen, mit Kritik umzugehen und gerade bei negativen Worten nicht alles an sich heran, sich nicht unterkriegen lassen. Dann selbst entscheiden, was ich aus dem Feedback mitnehme und wie ich mich in Zukunft verbessern kann, was ich ändern kann.

     

  2. Aus 99% der Rezensionen kann man was für seinen Schreibstil mitnehmen. Entweder steht die Kritik zwischen den Zeilen, oder sie wird ganz gezielt angesprochen. Bei mir war das zum Beispiel das Thema Setting. Ich habe gelesen, dass sich die Leute ein wenig lost gefühlt haben, weil ich zu wenig von der Umgebung beschrieben habe. Also achte ich in Zukunft verstärkt drauf. Solches Feedback macht mich besser.

 

Gerade dieses „selbst entscheiden, was ich mitnehme“, ist sehr wichtig. Weil ich nicht alles mitnehmen will und auch nicht muss.

 

Echte Sätze aus echten Rezensionen, die mich überhaupt nicht weiterbringen, und die nicht dazu beitragen, dass ich mich als Autor weiterentwickeln kann, sondern die lediglich verletzen, sind zum Beispiel folgende „Highlights“:

 

„Ich wollte das Buch am liebsten wegwerfen.“

„Es war einfach nur schlecht geschrieben.“

„Alle Charaktere sind Ar*chlöcher.“

„Sehr oberflächlich und emotionslos.“

„Es wurde immer absurder, wie in einer Daily Soap.“

„Zu einfacher Schreibstil und Satzbau.“

„Unprofessionell.“

„Es fühlte sich so an, als würde man mit zwei Puppen spielen und darüber lesen.“

„Harter Brocken.“

„Es gibt nichts Positives an dem Buch.“

„Einfach nur miserabel.“

„Mir war kein einziger Charakter sympathisch.“

 

Du glaubst nichts, wie viel Überwindung es mich kostet, diese Sätze mit dir zu teilen. Weil ich weiß, welches falsche Bild dabei entstehen kann.

 

Die talentfreie Möchte-gern-Autorin, die nicht mit Kritik umgehen kann. Die jetzt Mitleid sucht und das Opfer spielt, aber weder gut schreiben, noch sonst irgendwas kann.

 

Wenn du dieses Bild vor Augen hast, tut es mir leid für dich, weil du damit falsch liegst. Aber wie kann ich dir das beweisen? Du wirst dir wahrscheinlich dein eigenes Urteil bilden müssen, daran kommen wir nicht vorbei.

 

Ich bekomme regelmäßig Feedback dazu, wie gut es ankommt, über eben solche Problematiken zu reden. Die Atlantiszeiten, in denen alles perfekt war und hochgelobt wurde, sind vorbei.

 

Da draußen sind Menschen, die denken, dass es lustig ist, Autor zu sein. Dass alles supi ist und dass nur positive Rückmeldungen reinkommen. Warum? Weil die meisten Autoren die Strategie verfolgen, positive Rezensionen zu teilen.

 

Weil es ein gutes Licht auf sie wirft. Weil es sie seriös macht. Weil die Leser sich nicht von negativen, sondern von positiven Stimmen beeinflussen sollen.

 

Okay, aber ich gehe das anders an. Es macht mir keinen Spaß, mich den Dämonen zu stellen, aber ich tue das für die Leute, die vielleicht gar nicht wissen, wie sehr Rezensionen einen Autoren bewegen können.

 

Ich tue das für Nora, die regelmäßig Bücher veröffentlicht und bei jeder negativen Rezension weint, weil sie nicht damit gerechnet hat, dass so etwas passieren kann. Sie hat von ihren Lieblingsautoren immer nur mitbekommen, wie lieb und süß Rezensionen sind.

 

Ich tue das für Johanna, die jedes Buch ihrer Konkurrenz aus Prinzip kritisch bewertet, ohne es gelesen zu haben, weil sie die Autorin mit den besten Rezensionen sein möchte. Sie weiß nicht, dass ihre Worte verletzen.

 

Ich tue das für Mark, der Bücher verschlingt und sie liebt. Er erzählt allen seinen Freunden von seinen Lieblingsbüchern, aber er hat noch nie eine Rezension geschrieben. Er kann sich nicht vorstellen, dass seine Meinung für einen Autoren wichtig ist.

 

Ich tue das für Cheyenne, die einem Buch gerne eine Chance geben würde, weil ihr der Klappentext, das Cover und die Leseprobe gefallen. Aber dann liest sie sich die negativen Rezensionen dazu durch und vertraut ihnen lieber als dass sie ihre eigenen Erfahrungen macht. Das Buch wäre übrigens ihr neues Lieblingsbuch geworden.

 

Ich tue das für Tom, der nie mehr liest als die ersten zehn Seiten und dann sofort eine schlechte Rezension verfasst, wenn er ein Buch langweilig und schlecht findet. Er liest nie zu Ende, aber das schreibt er nicht in die Rezensionen.

 

Ich tue das für Charlie, die ein Lieblingsbuch hat, aber von anderen belächelt wird, weil alle anderen es schlecht fanden. Sie traut sich nicht mehr, zu ihrer Meinung zu stehen und löscht deshalb ihre positive Rezension auf Bookstagram.

 

Ich tue das für Maria, die immer ehrliche Rezensionen schreibt und sich nie mit Kritik zurückhält, aber sie wird schnell wütend, wenn ihr ein Buch nicht gefällt und dann wird sie persönlich. Aber sie vergisst, dass ihre Bewertungen von einem echten Menschen gelesen werden.

 

Ich tue das für Daniel, dessen größter Traum es ist, ein eigenes Buch zu veröffentlichen. Aber er hat Angst, negative Rezensionen zu bekommen und so kann er seinen Herzenswunsch nie erfüllen.

 

Die Namen sind fiktiv, aber diese Menschen gibt es wirklich. Sie sitzen da draußen vor ihren Laptops, an ihren Handys oder sind in einer Buchhandlung. Dort gibt es keine Rezensionen. Dort kaufen sie ein Buch, weil es ihnen gefällt. Das ist das Paradies.

 

Wenn du also immer noch davon überzeugt bist, ich schreibe diesen Blogbeitrag aus Eigennutz, dann kann ich dir auch nicht mehr helfen. Aber hey, vielleicht gibt es eines Tages die Möglichkeit, ganze Blogs zu rezensieren. Das wird dein großer Moment, oder?

 

Zurück zu meinen Highlights oben. Der letzte Satz, dass alle Charaktere unsympathisch sind, ist ein Satz, mit dem ich theoretisch arbeiten kann. Aber wenn ich schon alles gebe, um eine Buchfigur sympathisch zu machen, was will man denn da ändern? Sie haben Fehler und Macken, Wünsche und Hoffnungen, Ziele und Probleme. Jeder von ihnen hat eine Geschichte, eine Vergangenheit und ein gegenwärtiges Schlamassel. Sie sind manchmal laut, manchmal leise, lieben und hassen, aber sie sind zu keinem Zeitpunkt unangenehme Zeitgenossen.

 

Außer John in Handsome But Psycho. Er ist unsymapthisch, so was von. Aber – Überraschung – das habe ich mit Absicht so gemacht. Weil er der Antagonist ist. Und ein Monster.

 

Wenn Leser die eigenen Charaktere also unsympathisch finden, gehören dann zwei Leute dazu? Hat der Leser überhaupt die Persönlichkeit eines Charakters verstanden? Hat er sich darauf eingelassen, vielleicht hinter Fassaden zu schauen? Möchte er sich damit befassen, warum jemand handelt, wie er handelt, oder stempelt er lieber ab und schubst ihn in Schubladen?

 

Ja, Kira in Heart Made Of Glass wirkt erst mal wie eine verwöhnte Göre, die weder ihre Berühmtheit, noch ihren Erfolg schätzt. Sie ist viel zu laut, sie ist nie dankbar, sie will immer zu viel und sie flucht auch mal. Ihre Empathie hält sich in Grenzen und ja, das macht sie auf den ersten Blick unsympathisch. Da bin ich voll bei dir.

Aber hat sie es sich ausgesucht, so kalt zu sein? Nein, sie wurde so gemacht. Das ist eine Art Selbstschutz, weil sie in ihrer Vergangenheit zu viel Dunkelheit erlebt hat, als dass sie eine fröhliche und unbesorgte Persönlichkeit sein kann. Sie setzt eine Maske auf, weil sie Angst hat, dass jemand ihr Inneres erkennen und ablehnen könnte. Sie spielt die Starke, die Selbstbewusste und die Sorgenfreie. Aber sie trägt ein Loch in ihrem Herzen.

Sie überspielt ihre Zweifel und Ängste mit frechen Sprüchen oder mit dem Griff zur Minibar, aber sie hat tiefere Gedanken und tiefere Gefühle, als dass irgendjemand behaupten kann, sie ist unsympathisch.

 

Okay, was machen wir jetzt, liebe Autoren? Ändern wir etwas an unseren Büchern oder an unserem Umgang mit Kritik? Sollen wir mal versuchen, 10 Gebote auf die Beine zu stellen, die unserer Buchcommunity dabei helfen, sich an ein paar Spielregeln zu halten? Ich versuche es.

 

  1. Beleidige keine Menschen. Nicht im echten Leben und nicht auf Bookstagram. Egal ob jemand dein Lieblingsbuch hasst oder andersherum. Egal ob du ein Buch mies findest oder eine Rezension. Solche Probleme kann man nicht lösen, indem man persönlich wird.

     

  2. Schreibe keine Rezensionen, um dich besser zu fühlen. Deine eigene Unsicherheit wird nicht besser, wenn du die Bücher anderer zur Schnecke machst. Egal ob du selbst Autor oder Leser bist. Wer nichts Nettes zu sagen hat, sagt es entweder gar nicht, oder verpackt es nett. Konstruktive Kritik ist immer nützlich und hilfreich, da sind dir alle dankbar. Aber wenn du nur ein Kapitel gelesen hast, kannst du vielleicht nicht zu 100% abschätzen, ob das ganze Buch so schlecht ist, wie du denkst.

     

  3. Hab keine Angst vor Kritik. Wenn du nichts sehnlicher möchtest, als ein Buch zu veröffentlichen, dann tu es. Die Angst vor Kritik begleitet mich bei jedem einzelnen Buch, aber sie ändert nichts daran, dass ich immer wieder ein Neues schreibe. Das solltest du auch tun. Niemand hat das Recht, dir deinen Traum zu zerstören.

     

  4. Liebe Autoren, bitte hört damit auf, ausschließlich hoch lobende Rezensionen auf euren Social Medias zu teilen. Wenn euer Buch schlecht ist, kommt es sowieso raus. Wenn es gut ist, braucht ihr nicht 24/7 damit anzugeben. Die richtigen Leute werden immer zu eurem Buch finden, auch ohne die Meinung anderer. Aber denkt an Nora. Es würde euch authentischer und nahbarer machen, wenn ihr auch mal Bezug zu kritischen Stimmen nehmt. Was habt ihr zu verlieren? Solche Rezensionen gibt es sowieso online.

     

  5. Hört auf, negative Rezensionen zu löschen, zu melden oder zu blockieren. Andererseits solltet ihr nie gute Rezensionen kaufen oder erzwingen. Was nützt es euch? Es wirkt unglaubwürdig, tausend 5-Sterne-Rezensionen zu habe. Solche Bücher lese ich nicht, weil mich Perfektion ängstigt.

     

  6. Dir gefällt ein Buch? Dann bewerte es. Du musst kein Philosoph sein, um in 2-3 Sätzen anzugeben, was dir gut gefallen hat und was nicht. Manchmal reichen auch nur ein paar Sterne. Aber deine Meinung ist gefragt und deine Meinung ist wichtig. Denk nicht, dass „die anderen ja schon Rezensionen schreiben werden.“ An der Unfallstelle auf der Autobahn denken die Leute auch, „ein anderer wird schon helfen.“ Am Ende hilft niemand.

     

  7. Du magst ein Buch nicht? Dann kannst du es entweder dabei belassen und dich einem anderen Buch widmen, von dem du weißt, dass es dich wieder glücklich macht, oder du gibst dem Autoren Feedback, damit er sich verbessern kann. Das kannst du in der Regel per Mail, per Direktnachricht oder im echten Leben, falls ihr euch mal zufällig trefft. Aus der Erfahrung kann ich sagen, dass das nicht passieren wird, weil die meisten ihre Rezensionen lieber anonym veröffentlichen. Dann können sie sich so richtig austoben. Wenn sie sich nicht trauen würden, dir ihre Rückmeldung persönlich zu geben, solltest du sie ebenfalls nicht zu persönlich nehmen.

     

  8. Glaub nicht alles, was du liest. Wenn dich ein Buch anspricht und dir der Schreibstil in der Leseprobe gefällt, dann gib dem Buch eine Chance. Nur weil es anderen Leuten nicht gefällt, heißt es noch lange nicht, dass es nicht dein absolutes Lieblingsbuch sein kann. Die meisten Rezis sind ohnehin nicht länger als zwei Sätze ohne jeden Tipp für Besserung.

    Funfact: Ich mag Harry Potter nicht. Na und? Für so viele Leute ist es die beste Buchreihe überhaupt. Und nur weil ein Autor ausschließlich positive Rezensionen teilt, heißt es noch lange nicht, dass jeder dieses Buch liebt. (Lies dir mal unabhängig vom Autorenkanal Rezensionen zu „gehypten Büchern“ durch, dann weißt du, was ich meine.)

     

  9. Gib niemals auf. Es kann hart sein, dich negativen Rezis zu stellen. Vielleicht geht es dir ab und zu wie mir und du zweifelst daran, ob du überhaupt Bücher schreiben solltest. Du willst den anderen Recht geben, dich verkriechen und nie wieder schreiben. Nein, mach das nicht. Lass sie nicht siegen. Gib nicht auf, kleiner Schreiberling.

     

  10. Lasst uns allesamt Rezensionen nicht zu wichtig nehmen. Sowohl von der Autoren-, als auch von der Bloggerseite aus. Es sollte immer nur darum gehen, dass jeder schreiben darf, was er will und dass jeder lesen darf, was er will. Einfach nur Buchliebe, ohne Wertung, ohne Hass und ohne gegenseitige Shitstorms wegen unnötigen Dingen. (Ich erinnere mich an die Farbschnittdebatte.)

 

Vielleicht wird sich nie etwas ändern. Vielleicht muss es das auch nicht. Vielleicht bekomme ich weiterhin negative Rezensionen – jetzt erst recht, weil ich die Frechheit besitze, ein Statement zum Thema abzugeben. Vielleicht werden sich die Daniels und Noras nie trauen, ein (weiteres) Buch raus zu bringen, solange dieser Umgang mit und unter Autoren existiert. Vielleicht muss es so sein.

 

Aber ganz vielleicht konnte ich mit diesem Blogbeitrag auch nur einen einzigen Menschen aufklären, informieren, emotionalisieren, inspirieren, motivieren oder aufbauen. Dann habe ich alles erreicht, was ich wollte.


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